Seite 6 - Mainzer Neustadt-Anzeiger

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SichtWaisen e.V.
Verstehen, ohne einverstanden zu sein
Präventionsarbeit zum Thema „Jugendkriminalität“

(jm) Nach Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung ist die Zahl der Delikte, die von Jugendlichen und jungen Erwachsenen verübt werden, seit Jahren rückläufig. Dies sei nicht zuletzt auch auf die Ergebnisse zunehmender Präventionsarbeit zurückzuführen. Auch wenn immer weniger junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten, ist das persönliche Schicksal eben jener, die diese Erfahrung machen müssen, immer noch eine große Herausforderung. Maximilian Pollux und sein gemeinnütziger Verein „SichtWaisen e.V.“ bilden in der Neustadt für solche Menschen, sowie deren Angehörige und Freunde, eine wichtige zivile Schnittstelle zwischen Perspektivlosigkeit und gesellschaftlicher Reintegration. Der Verein bietet Workshops in Schulen und anderen sozialen Einrichtungen an, hält für Betroffene und Angehörige Beratungsangebote bereit und stellt ihnen ein Mentoring-Programm zur Verfügung.

Kritisches Denken anregen
Maximilian Pollux hat selbst fast zehn Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht und macht es sich seitdem zur Aufgabe, Kinder und Jugendliche davor zur bewahren, ähnliche Fehler zu machen. Wichtig ist es laut Pollux, „Kriminalität zu entmystifizieren“. Bekannt ist er vor allem durch seinen YouTube-Kanal, wo ihm knapp 200.000 Menschen folgen. Sein alltäglicher Schwerpunkt liegt jedoch in der Vereins­ und Präventionsarbeit. Zwar war Pollux bereits vor Gründung des Vereins im Jahr 2019 in der Präventionsarbeit tätig, die Arbeit als Einzelperson erschien ihm jedoch langfristig nicht nachhaltig. Mit den Sicht Waisen möchten er und Catherina Huber, die Mitbegründerin des Vereins, Kindern und Jugendlichen ein umfassendes Angebot nach eigenem pädagogischem Konzept ermöglichen. Durch konfrontative Pädagogik beispielsweise werden Jugendliche mit ihren eigenen Überzeugungen konfrontiert. Ziel dabei ist es, kritisches Denken anzuregen und bei den Jugendlichen eine eigenständige, innere Überwindung zerstörerischer Glaubenssätze zu erreichen.

Ist Jugendkriminalität ein männliches Problem?
Jugendkriminalität im Allgemeinen ist statistisch relativ ausgewogen auf die Geschlechter verteilt. Je schwerer die Delikte jedoch sind, desto eher sind Jungen daran beteiligt. Pollux sieht das sowohl in gesellschaftlichen Rollenbildern als auch durch hormonelle Veränderungen in der Pubertät begründet. Oft geht es aber auch einfach um Jungen, die selbst Opfererfahrungen gemacht haben und sich aus diesem Grund an Vorbildern orientieren, die durch übermäßige Gewaltdarstellung ein Gefühl der Macht symbolisieren. In diesem Prozess des Selbstschutzes würde oft ein Respektbegriff mit einem der Furcht verwechselt. „Das ist aber ein großer Trugschluss“, so Pollux. Wichtig sei es daher, dass es im Umfeld der Jugendlichen alternative Vorbilder und Bezugspersonen gibt, an denen sie sich orientieren können. Für Pollux ist es dabei völlig unerheblich, welche Form der Männlichkeit projiziert wird, solange diese von gegenseitigem Respekt und Verantwortung und nicht von Furcht und Gewalt geprägt ist.

Die Politik muss stärker in die Verantwortung genommen werden
Bei besonders engagierten Schulen sei es oft die Schulleitung, die persönlich auf ihn zukäme. Meistens sind es aber einzelne Personen aus dem Kollegium. Gerade zu Beginn der Vereinsarbeit war der Kontakt mit den Schulen und anderen Organisationen jedoch noch deutlich schwerer. Pollux erzählt, dass er viel Zeit darauf verwendet hat, bei den Verantwortlichen und Fördervereinen vorstellig zu werden, um sein Projekt voranzubringen. Wie sich heutzutage leider in vielen sozialen Bereichen bestätigt, wurde auch ihm schnell klar, dass die Finanzierung solcher Projekte hart erkämpft werden muss. Dies wäre auch ein politisches Problem, sagt Pollux, denn das Geld aus den Bundes­ und Landeshaushalten stehe zwar zur Verfügung, die Abschöpfung durch die Schulen und andere soziale Organisationen würde jedoch durch hohe bürokratische Hürden gebremst. Zu verhindern, dass junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten, müsse deutlicher als gesamtgesellschaftliches Interesse wahrgenommen werden.

Hilfe zu suchen und anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche!
Elternberatung und Mentoring ist bei „SichtWaisen e.V“ kostenlos. Spenden an den gemein nützigen Verein seien aber natürlich gerne gesehen, so Pollux. Die Hürde für Betroffene soll absichtlich so gering wie möglich gehalten werden, da es Betroffenen und Angehörigen oft auch ohne finanzielle Hürden schwer fällt, Hilfe zu suchen. Wichtig sei daher, das gesellschaftliche Stigma zu überwinden und zu verstehen, dass die Bitte um Unterstützung keine persönliche Schwäche bedeutet. „Hier hat sich zum Glück aber besonders in der jungen Generation einiges getan“, sagt Pollux. Inzwischen kommt es aufgrund von Pollux‘ wachsender Bekanntheit auch immer häufiger vor, dass sich Jugendliche über Soziale Medien bei ihm persönlich melden. Der Erstkontakt ist aber noch einfacher über die Webseite des Vereins möglich. Hier kann schnell und unverbindlich ein Termin für eine erste Online-Beratung gebucht werden. Diese Beratung kann, falls gewünscht, selbstverständlich auch anonym stattfinden.

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